Niger 2006 - Gedanken
Der hier beschriebene Urlaub war, technisch gesehen, eine Pauschalreise und
dementsprechend organisiert: Vollpension, Aufkleber am Gepäck, fest
vorgegebene Tagesetappen, deutsche Reiseleitung - im Prinzip recht ähnlich,
wie eine Bustour auf dem griechischen Festland. Allerdings, und das gilt es
zu beachten, sind Land, Tierwelt und Leute im Niger in vielerlei Hinsicht
anders, als wir es gewohnt sind. Daraus folgen einige Fakten, die man sich
unbedingt vor dem Buchen einer solchen Reise überlegen sollte, um
nicht enttäuscht zu werden.
- Niger ist ein großes Land, die landschaftlich reizvollen Flecken sind
weit voneinander entfernt und Straßen (zum Glück!) kaum vorhanden.
Dementsprechend lange muß jeden Tag gefahren werden, will man alle
Höhepunkte auf einer einzigen Reise erleben. Wer nicht drei Wochen lang
täglich über mehrere Stunden hinweg in einem Geländewagen sitzen kann,
sollte eine andere Reise (beispielsweise eine Kamelreise oder eine
Wanderung) wählen.
- Drei Wochen sind eine lange Zeit, ganz besonders, wenn man die Hälfte
davon zu dritt auf der Rückbank eines Landrovers verbringt. Man kann sich
seine Mitreisenden nur sehr eingeschränkt aussuchen - wer hier empfindlich
ist, sollte besser zu zweit oder zu dritt buchen, er wird aber selbst dann
nicht um häufigen und engen Kontakt zu seinen Mitreisenden herumkommen.
- Die afrikanische Küche ist ausgezeichnet, aber möglicherweise nicht
jedermanns Geschmack. Da die Reise in Teilen durch völlig unbewohntes
Gebiet führt, müssen Lebensmittel über weitere Distanzen mitgenommen
werden. Es obliegt dem einheimischen Koch, Vorräte einzukaufen und
damit zu kochen, und es obliegt den Reiseteilnehmern, davon satt zu werden.
Auf Allergien wird, sofern vorweg bekannt, Rücksicht genommen, aber
ansonsten sind Spezialwünsche begreiflicherweise nicht erfüllbar.
- Nordöstlich von Agadez ist Mineralwasser nur in den größeren
Orten zu bekommen, keinesfalls aber kann damit die gesamte Reise bestritten
werden. Das Brunnenwasser im Niger ist für Europäer nur nach Entkeimung
genießbar, was (in normaler Dosierung primär geschmackliche) Probleme mit
sich bringt.
- Ebenfalls durch die spärliche Wasserversorgung bedingt ist ein
chronischer Mangel an Waschwasser. Sind Brunnen in der Nähe des
Lagerplatzes, kann man sich in kleinen Plastikschüsseln (Inhalt vielleicht
2 Liter, immerhin muß das Wasser von den Fahrern aus bis zu 50 Meter Tiefe
hochgezogen werden) waschen, bei brunnenlosen Etappen ist auch dieser
kleine Luxus nicht mehr möglich - und das kann durchaus einmal vier Tage
lang der Fall sein.
- Die Versorgungslage ist in der Wüste ähnlich, wie die
Bevölkerungsverteilung: oftmals über weite Strecken einfach nicht
vorhanden. Reifenpannen gehören auf derartigen Fahrten zum Alltag, es
können aber auch jederzeit größere Defekte an den Fahrzeugen auftreten. In
solchen Fällen bleibt unter Umständen nichts anderes, als auszuharren, bis
Hilfe (in Form von Mechanikern, Elektrikern, oder auch Ersatzautos)
herbeigeholt worden ist, was an ungünstigen Stellen auch drei Tage dauern
kann.
- Das Verletzungsrisiko ist bei so einer Reise nicht gerade hoch, man
sollte aber auf alle Fälle gut auf sich acht geben. Im Unglücksfall hilft
die selbst mitgeführte Reiseapotheke weiter, ansonsten bleibt nicht viel
mehr, als der Transport in den nächstgrößeren Ort, was durchaus einige Zeit
in Anspruch nehmen kann.
- Das Sicherheitsrisiko im Niger wird zur Zeit von mehreren europäischen
Regierungen als erhöht eingestuft. Die Agenturen sind in dieser Hinsicht
meist recht sorgfältig - immerhin stellt ein bewaffneter Überfall auch für
sie eine immense finanzielle Bedrohung dar. Tatsache ist aber, dass - wie
auch in Österreich und Deutschland - bis in die heutige Zeit vereinzelt
Raubüberfälle in der Wüste verübt wurden, teilweise mit tragischem
Ausgang.
Ich bin der Meinung, dass alle genannten Punkte erträglich, beherrschbar,
oder wenigstens kalkulierbar sind und würde jederzeit ohne Bedenken wieder
die gleiche Reise unternehmen. Sich das vorher wirklich gut zu überlegen,
und gegebenenfalls im Internet und der einschlägigen Literatur zu
recherchieren, obliegt aber jedem einzelnen. Stellt man erst vor Ort fest,
die Anforderungen unterschätzt zu haben, verdirbt man sich selbst den
teuren Urlaub - und möglicherweise auch noch den der Mitreisenden.