Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt, heißt es - wenn man mitten im Winter auf Urlaub in die Sahara fährt, trifft zwar wörtlich genommen eher das genaue Gegenteil davon zu, aber anstrengend kann sich die Anreise noch allemal gestalten. Zudem ist es auch möglich, bereits in Europa so viele Überraschungen zu erleben, wie man das an sich erst im Hauptteil der Reise erwarten würde. Flüge nach Südalgerien sind rar, Reisende aus Deutschland daher auf die Air Algerie und deren Flugrhythmus angewiesen (andererseits war die Existenz eines Direktflugs ein echter Segen und absolut keine Selbstverständlichkeit, wie dessen Streichung nur wenige Wochen später gezeigt hat). In Ermangelung preiswerter Anschlussflüge von bzw. nach Wien ziehe ich die deutlich bequemere und günstigere Anreise mit dem Zug vor. Die erste Verbindung des Tages erreicht Frankfurt erst nach der geplanten Abflugzeit, ich verbinde daher angenehmes mit nützlichem und statte einer guten Bekannten in Frankfurt bei dieser Gelegenheit einen Besuch ab. Es ist bitter kalt in Mitteleuropa – in Frankfurt hat es in dieser Nacht -13 Grad. Die warmen Sachen, welche ich vor allem für die kalten Wüstennächte eingepackt habe, kann ich also schon vorab sehr gut gebrauchen.
Gegen Mittag bringt mich meine Bekannte zum Flughafen – dort bin ich, wiewohl 2,5 Stunden vor Abflug vor Ort und somit beinahe auf die Minute pünktlich, bereits einer der letzten; die meisten auѕ meiner Reisegruppe haben längst eingecheckt und sind schon auf dem Weg durch die Sicherheitskontrollen. Beim Check-In treffe ich nur meine Reiseleiterin und Besitzerin der Reiseagentur, die ich bereits von meiner Fahrt durch den Niger kenne, sowie ihren Sohn Julian, der sich diesmal als Teilnehmer unserer Gruppe anschließt.
Beim Gate für den Flug nach Tamanrasset sammeln sich dann im Lauf der folgenden Stunden rund 70 Wüstenreisende unterschiedlicher Agenturen; ein erstes Abtasten, wer mit wem wohin unterwegs ist, beginnt. Auf den Monitoren an der Wand läuft NTV und berieselt uns lautlos mit den aktuellen Nachrichten – diese erscheinen uninteressant, wo wir doch gerade auf dem Weg in die absolute Einsamkeit sind, weit weg von jeder Tagespolitik. Ein Bericht über Schneechaos und Sperre des Flughafens in Düsseldorf weckt aber dennoch meine Aufmerksamkeit: So weit weg von Frankfurt ist das ja gar nicht, es wird doch nicht womöglich... Aber nein, wir werden beinahe pünktlich zum Boarding aufgerufen und sitzen kurz darauf angeschnallt, sowie mit hochgeklappten Tischchen und senkrechten Rückenlehnen in der Maschine. Draussen herrscht allerdings um diese Zeit bereits dichtes Schneetreiben, lange Kolonnen von Räumfahrzeuge sind auf den Startbahnen unterwegs, und die Tragflächen unseres Flugzeugs sind mit Schnee bedeckt.
Es kommt, was kommen muss: nachdem der Flughafen 2x eine Enteisungsmaschine für "in 45 Minuten" versprochen hat, ist schließlich die zulässige Dienstzeit unserer Crew, die unmittelbar zuvor von Algier nach Frankfurt geflogen war, überschritten. Damit steht fest: der Flug kann an diesem Tag nicht mehr stattfinden. Für die Übernachtung wird das Hotel Marriott in Franfurt auserkoren, das Flugzeug samt Gepäck versiegelt und Passagiere plus Crew per Bus zum Hotel gefahren. Dort erwarten uns ein großes, vorzügliches Buffet und wunderschöne Zimmer – allerdings sind beim Blick aus dem Fenster nur Schnee und das vorweihnachtliche Frankfurt zu sehen statt des erhofften Wüstensandes.
Als neue Abflugzeit wurde mit dem Flughafen am Vortag 8:00 morgens ausgehandelt. Um diesen Slot auf gar keinen Fall zu versäumen, werden wir bereits um 5:15 geweckt, mit einer (im Vergleich zum Buffet des Vorabends recht mickrigen) Lunch-Box ausgestattet und per Bus wieder zum Flughafen gebracht. Nach neuerlichem Passieren der Sicherheitskontrollen (bei denen interessanterweise vollkommen andere Dinge Anstoß erregen, als nur wenige Stunden davor) und einigen weiteren Verzögerungen heben wir gegen 9:00 tatsächlich ab und fliegen nach Süden. Bis zum Mittelmeer ist ausser einer dichten Wolkendecke nichts zu erkennen, ab der afrikanischen Küste macht sich jedoch der unfreiwillige Tagflug bezahlt: wir bekommen herrliche Ausblicke auf die algerische Küstenlandschaft und auf die Sahara geboten, der Flug vergeht dadurch im Handumdrehen. In Tamanrasset erwarten uns bereits 3 Jeeps – ich bin versucht zu schreiben: "mit laufendem Motor", was nur bei wörtlicher Betrachtung gelogen wäre – die uns auf der asphaltierten Fernstraße N1 nach Nordwesten bringen. Tamanrasset lassen wir dadurch links liegen, bekommen die Stadt überhaupt nicht zu Gesicht, dafür haben wir auf diese Art fast die gesamte Verspätung durch den verschobenen Flug wieder kompensiert.
Bei Einbruch der Dunkelheit befinden wir uns mitten im Nirgendwo und suchen uns einen Rastplatz rund 1 km von der Straße entfernt im Sand. Wir stellen unsere Zelte auf, bekommen eine kurze Lagebesprechung zum Ablauf der nächsten Tage, essen zu Abend, bewundern den mondlosen, wunderbar klaren Sternenhimmel und verkriechen uns dann relativ bald in unsere Zelte.