Mitten in der Nacht hält sich der Appetit beim Frühstück noch in relativ engen Grenzen. Jeder isst nur ein paar Bissen, einige überwinden sich zu ein paar Löffeln Porridge. Als wir um Punkt 4:30 losgehen, ist es noch stockfinster, sternenklar, sehr kalt und leider recht windig. Kurz nach der Hütte beginnt bereits der Anstieg zm Rhino Point (offiziell ebenfalls 3800 Meter, nach unserer Schätzung allerdings etwas höher). Wir haben nur den Schein unserer Stirnlampen als Beleuchtung zur Verfügung, daher bekommen wir vom Weg nicht besonders viel mit. Zwei Stunden lang stapfen wir so dicht wie möglich hinter dem Vordermann langsam, aber stetig den Berg hinauf. Wie geplant, erreichen wir exakt mit dem Beginn der Dämmerung den höchsten Punkt des Hägels und bekommen dort daher einen wunderbaren Sonnenaufgang zu sehen. Trotz der Kälte bin ich leider vom Aufstieg total durchnäßt und friere entsetzlich. Im Rucksack ist zwar noch Reservekleidung, aber es steht ja noch der lange, eigentliche Aufstieg auf den Mount Meru bevor – ich habe kurzzeitig ernsthafte Zweifel, ob ich mich darauf einlassen soll.
Unser Bergführer überzeugt mich, mit den nassen Sachen am Leib und den trockenen im Rucksack weiterzugehen. Das stellt sich als guter Ratschlag heraus, denn im Sonnenschein ist es gleich spürbar wärmer, daher bin ich kurz nach dem Abmarsch zum eigentlichen Gipfel wieder warm, ein neuer Satz Kleidung wäre bereits nach wenigen Minuten wieder verschwitzt gewesen. Der Weg zum Mount Meru führt scheinbar endlos über Stein-, Asche- und Geröllfelder bergauf, verläuft in einem stetig steigenden Halbkreis einmal am Kraterrand entlang, bis er endlich, ganz am äußersten Ende, den Gipfel erreicht. Durch die Bodenbeschaffenheit ist der Anstieg zum Teil recht mühsam, in der Asche rutscht man immer wieder zurück und die Felspassagen bereiten in der inzwischen doch schon recht dünnen Luft Atemprobleme. Wir gehen Stunde um Stunde, aber der Gipfel scheint immer noch hoch über uns zui sein, auch wenn unsere Höhenmesser verkünden, dass wir uns immer mehr annähern. Als Entschädigung erhalten wir dafür spektakuläre Panoramen am Kraterrand. Der Weg ist teilweise ziemlich exponiert, man kann tief hinunter in bizarre Felsformationen sehen, dazu ist auch der Kilimanjaro stets am Horizont präsent.
Rund 5 Stunden nach dem Aufbruch vom Rhino Point ist es dann aber doch soweit: um 12:15 stehen wir nach einer letzten, steilen Felspassage am Gipfel des Mount Meru, 4560 Meter über dem Meer. Wir sind alle froh und glücklich, gratulieren und fotografieren einander, irgendwoher taucht auch plötzlich eine Flasche Schnaps auf und macht die Runde. Ich ziehe mich rasch um, bevor mir der Wind zu arg zusetzen kann – somit bin ich nun zwar ein wenig erschöpft, aber immerhin trocken und damit halbwegs warm angezogen.
Nach vielleicht einer knappen halben Stunde am Gipfel beginnen wir mit dem Abstieg zurück zur Saddle Hut. Obwohl uns hinunter alles viel einfacher fällt, als bergauf (vor allem die Atmung dankt es einem), man sich über die Aschehänge regelrecht hinuntergleiten lassen kann, zieht sich doch auch der Weg bergab ziemlich in die Länge. Erst nach über zwei Stunden Gehzeit (fast ohne Pause) erreichen wir wieder den Rhino-Point und schlussendlich dann die Saddle Hut. Anstatt dem inzwischen schon fast gewohnten Popcorn hat unser Koch diesmal ein warmes Willkommensessen zubereitet - und das um 18:00. Die meisten von uns sind ziemlich erschöpft, ein paar schlafen, einige haben von der Höhe arges Kopfweh, manchen ist schlecht, so dass insgesamt der Truppe ein wenig der Appetit fehlt. Dennoch folgt auf das erste Essen um 19:30 auch noch das reguläre Abendessen – inzwischen sind zwar die meisten wieder anwesend und munter, aber in Summe ist das fast zu viel Nahrung in zu kurzer Zeit. Schade um die ausgezeichneten Bratkartoffeln. An diesem Abend sind wir froh, gleich nach dem Essen ins Bett fallen zu dürfen. Wir haben wieder 4er-Zimmer anstatt des Schlafsaales ausgefasst, auch deswegen fällt die Nacht heute wesentlich erholsamer aus, nur kurz von einer anderen Gruppe Wanderer unterbrochen, die sich um eins in der Nacht zum Weg in Richtung Gipfel aufmacht.